Russen, Juden, Araber – alle haben in Aserbaidschan ihr Zuhause

Diese ethnische Vielfalt, die bis heute anhält, und der friedliche Aufenthalt von Vertretern verschiedener Nationalitäten, Kulturen und Religionen in unserem Land zeugen von der Toleranz der Aserbaidschaner und ihrem Respekt vor ihnen.

Aserbaidschan ist bekannt für Toleranz seiner Bewohner. Dies bedingte eine besonders bunte ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung Aserbaidschans. Russen, Juden, Araber – alle haben in Aserbaidschan ihr Zuhause. Keine Ausnahme stellen auch die Deutschen dar. In diesem Sinne sind die multikulturellen und toleranten Werte Aserbaidschans ein Vorbild für die ganze Welt.

Politische Ereignisse in den 18. und 19. Jahrhunderten erschütterten ganz Europa. Die Geschichte erwartete die Verwirklichung der von französischer Revolution erklärten Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Bruderschaft. Diese Revolution brachte die Völker in Verarmung, blutigen Kriege und Verlust der Unabhängigkeit.

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Deutsche Länder, genauso wie alle andere, litten unter den Napoleonkriege, religiöse Konfrontation, Wirtschaftskrise, Verwüstung und Armut. Viele deutsche Bauer und Handwerker mussten in die Emigration.

Deutsche Spuren in Aserbaidschan sind heutzutage auf den ersten Blick nur noch schwer zu finden. Dennoch gibt es bei genauerer Betrachtung ein bemerkenswertes Erbe, welches die ersten deutschen Siedler und später auch individuelle Einwanderer seit Anfang des 19. Jahrhunderts im Südkaukasus hinterlassen haben.

Zwischen 1816 und 1819 führte die abenteuerliche und risikoreiche Reise ca. 1400 schwäbischen Familien durch südliche Territorien des damaligen Russischen Zarenreichs. 500 von ihnen schafften bis nach Transkaukasien und siedelten sich im heutigen Georgien und Aserbaidschan an. Das Angebot kam vom Zaren Alexander I, dessen Mutter eine Schwäbin war. 1819 legten 130 Familien am Fusse des Kleinen Kaukasus unweit der alten Handelsstadt Ganja/Gändschä den Grundstein der ersten zugleich grössten deutschen Kolonie in Aserbaidschan. Diese wurde zu Ehren der Herzogin Helene von Mecklenburg-Schwerin “Helenendorf“ genannt.

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Die Schwaben waren in erster Linie für ihre Arbeitsamkeit bekannt und brachten in kürzester Zeit die Viehzucht, Ackerbau, vor allem aber den Weinbau in dieser Gegend voran und gelangten somit rasch zu Reichtum. Zudem waren sie hervorragende Schumacher, Schmiede, Schneider und Tischler. Die berühmten Winzer – Gebrüder Vohrer und Hummel sind bis heute in aller Munde, deren Betriebe die besten Limonaden, Bier, Cognac und Weinprodukte im russischen Imperium herstellten. Eine der fünf Hauptstrassen von Helenendorf (1938 umbenannt in “Chanlar“, seit 2008 “Göygöl“) trägt heute den Namen von Christian Hummel.

Das lebendige Symbol des einstigen Winzerdorfes ist die 1854 erbaute evangelisch-lutherische Johanniskirche, die gegenwärtig als Museum dient, bevor sie von den Sowjets als Sporthalle benutzt wurde.

Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs die Kolonie rasenschnell und ebnete den Weg für die Entstehung weiterer deutscher Siedlungen wie Georgsfeld (1888), Mekseevka (1902), Grünfeld (1906), Traubenfeld (1912) etc. 1919, in Zeiten der Demokratischen Republik von Aserbaidschan (1918-1920) wurde das 100. Jubiläum der Gründung von Helenendorf feierlich begangen. Zu diesem Zeitpunkt lebten etwa 13.000 Deutsche in Aserbaidschan. Sie hatten sogar einen Vertreter namens Lorenz Kuhn im Aserbaidschanischen Nationalrat in Baku. Der wirtschaftliche Aufschwung des Dorfes spiegelte sich in erhöhten Lebensverhältnissen wieder. 1912 hatte Helenendorf als erstes Dorf im Kaukasus Strom, vier Jahre später gar ein funktionierendes Telefonnetz.

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Die einzigartige Geschichte von Helenendorf wird deutlich, wenn man einen kurzen Blick auf seine Gründungsidee wirft. Aserbaidschan, das Anfang des 19. Jahrhunderts zwischen Russland und dem Iran Hin-und Her gerissen war, erlebte eine der turbulentesten Perioden seiner Geschichte. Nach russisch-persischen Kriegen (1804-1813 und 1826-1828), die damals noch vereinte Aserbaidschan in Nord und Süd teilten, wollte der Zarismus in neu eroberten Gebieten, wo die muslimischen Aserbaidschaner lebten, ein christliches Bollwerk schaffen und die hiesige Bevölkerung auf diese Weise in Schach zu halten. Neben der Übersiedlung der Armenier (die letztendlich den Anfang künftiger Katastrophen in und um Berg-Karabach einleitete), sollte auch die Präsenz der Deutschen diesem Zweck dienen. Doch entgegen allen Erwartungen haben sich mit der Zeit zwischen den Heimischen und den “Fremden“ enge freundschaftliche Beziehungen entwickelt. Das Verhältnis der Aserbaidschaner zu Deutschen, die nunmehr ihre neuen Nachbarn waren, ist über die ganze Zeit hinweg ausgesprochen von der Gastfreundlichkeit und Toleranz geprägt gewesen. Auch wenn es heutzutage keine Deutsche mehr in Helenendorf (Göygöl) gibt, wird die Erinnerung an jene ruhmvolle Vergangenheit wachgehalten und das deutsche Erbe als Dankbarkeit an diejenige, die diese Stadt und weitere kleine Ortschaften aufgebaut und darüber hinaus noch vieles mehr geleistet haben, sorgfältig aufbewahrt.

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