Jüdisches Leben in Aserbaidschan

Zum ersten Mal erschienen Juden im Südkaukasus auf dem Gebiet des heutigen Aserbaidschans und dem südlichen Dagestan, das einen Teil des Albanischen Staatsbildete, im frühen Mittelalter. Während dieser Zeit verlief die Grosse Seidenstrasse durch den Kaukasus. Sie wurde von jüdischen Kaufleuten genutzt, um über jüdische Handelsposten in China Karawanen aus dem Land zu führen. Dies ist durch archäologische Funde bestätigt. So entdeckte zum Beispiel ein Mitarbeiter der Nationalen Akademie der Wissenschaften Aserbaidschans, Historiker R. B. Goyushov, die Ruinen einer Synagoge aus dem 7. Jahrhundert bei Ausgrabungen in der mittelalterlichen aserbaidschanischen Stadt Shabran. Diese Stadt lag auf der internationalen Kaspischen Handels- und Transitroute. Der albanische Lokalhistoriker Moses Kalankutasi präsentiert in seinem Buch „Geschichte der Albaner“ Daten, die auf die Existenz einer Gemeinschaft von Christen, Juden und Heiden im 7. Jahrhundert in Bärdä, der Hauptstadt des Staates Albanien verweisen. Auch nach Erzählungen des berühmten mittelalterlichen jüdischen Reisenden Benjamin von Tudela „gab es 1000 Synagogen in Aserbaidschan des 12. Jahrhunderts.“ Weitere Hinweise liefert eines der berühmten Fragmente der Geniza der Ben-Esra-Synagoge in Kairo, einer Sammlung von Handschriften. Es besagt, dass sich Rabbi Baruch Israel von der aserbaidschanischen Stadt Maraga in seiner Arbeit auf die Werke von Rabbi Saadia Gaon stützte, der in einer anderen aserbaidschanischen Stadt, nämlich in Urmiya, lebte. Weiterhin zog Ende des 12. Jh. Samaw’al Ben Yahya, ein Gelehrter am Gericht der aserbaidschanischen Eldigüziden Atabegs (1136-1225), von Bagdad nach Maraga. Im 13. und 14. Jahrhundert wanderten zudem viele Juden aus Kleinasien in den Hülegüen Staat (1256-1353), deren zentrale Region Aserbaidschan war. Dort gab es bereits zahlreiche jüdische Gemeinden. Die besten Köpfe aus Ost und West von China bis Spanien zogen ebenfalls durch diese Region. Und auch Bar Ebrey, der grosse religiöse Führer des 13. Jahrhunderts, Gelehrter und Lexikograph, verbrachte fast sein ganzes Leben in Maraga.

Auch heute ist Aserbaidschan immer noch die Heimat von drei jüdischen Gruppen: Den Bergjuden oder Juhuro, den Aschkenasim und den georgisch sprachigen Ebraelis. Zudem sollte auch das einzigartige Dorf Privolnoye in Dschälilabad nicht ausser Acht gelassen werden, dessen russische Bevölkerung sich zum Judentum bekennt.

Bergjuden

Die Vorfahren der Bergjuden erschienen in Aserbaidschan im 6. Jahrhundert n. Chr.. Diese Juden aus Mesopotamien wurden nach Aserbaidschan und ins südliche Dagestan (beide Gebiete bildeten im Mittelalter eine gemeinsame Region) für ihren Versuch deportiert, sich vom Sassaniden Reich (224-651) abzuspalten. Gemeinden von Bergjuden siedelten in Baku, Vartashen, Goychay, Quba, Gusar, Ganja, Derbent, Ismayilli, Maraga, Miyandob, im jüdischen Muji und im Muji-Aftaran, Salmas, Sovujbulag, Tabriz, Urmiya, Khoy, Shabran, Shamakhi und in Scheki.

Die Bergjuden, die sich selbst Juhuro nennen, sprechen die Tat-Jüdisch, einen Mitteldialekt zum Farsi, der viele Anleihen aus der iranischen Sprachfamilie aufweist, aber auch aus dem Hebräischen, der aserbaidschanischen und russischen Sprache. Aserbaidschanisch nutzen sie als zweite Sprache.

Die Herrscher des starken und riesigen aserbaidschanischen Khanats Quba (1747-1806), Huseynali Khan (1722-1758) und Fatali Khan (1758- 1789), hatten die Juhuro eingeladen mit ihren Besitztümern dorthin zu ziehen. Sie spielten eine wichtige Rolle für das Schicksal der Bergjuden im Kaukasus, vor allem in Aserbaidschan und im südlichen Dagestan. Es war zu diesem Zeitpunkt, dass sich das Jüdische Zentrum Sloboda (seit 1926 Krasnaja Sloboda) in der Hauptstadt des Khanats, Quba, bildete.

Damit die erste bedeutende Siedlung von Bergjuden im Kaukasus gegründet. Die Bewohner von Sloboda wurden im Handwerk tätig: im Weben von Teppichen, dem Ledergeschäft, im Handel, der Landwirtschaft und dem Tabak-, Garten- und Krappanbau. In Sloboda lebten im Jahr 1856 rund 3000 Menschen, im Jahr 1916 bereits 8400. Jüdisch Sloboda ist eines der am schnellsten wachsenden jüdischen Zentren und die weltweit grösste Siedlung von Bergjuden. Es ist eine schöne, gepflegte und grosse Siedlung mit dreistöckigen Villen, den

Häusern von Prinzessinen für Feierlichkeiten, Schulen, Talmudschulen und allen anderen Attributen des zivilisierten Lebens. Es ist kein Zufall, dass Sloboda auch Gufla Iyerushalaim, also „Klein-Jerusalem“, genannt wird. Ein weiteres Zentrum der Bergjuden in Aserbaidschan war Vartashen (heute: Oghuz), wo im Jahre 1885 2282 Menschen siedelten. Heute sind viele nach Russland und Israel ausgewandert.

In Jüdisch Sloboda gab es elf Synagogen, heute existieren davon jedoch nur noch sechs. Ausserdem stehen noch je zwei Synagogen in Baku.

Museum der Bergjuden in Krasnaya Sloboda

Im frühen 20. Jahrhundert wurde ein jüdischse phardisches Gymnasium in Baku eröffnet, in dem Berg- und georgische Juden studierten. Die erste jüdisch-russische Schule für Bergjuden wurde im Jahre 1908 in Quba eingeweiht – die Unterrichtssprache war Russisch. Es gab eine Jeschiwa, in der die jüdische Religion und die Traditionen studiert werden konnten. Ein weiteres wichtiges Zentrum der jüdischen Kultur war der Ilyayev Club in Baku. Jüdische Mädchen wurden in privaten Mädchengymnasien, Fachhochschulen, Musikschulen und Wohltätigkeitsorganisationen unterrichtet.

In Bezug auf die historische Tradition der Beziehungen zwischen Juden und Aserbaidschanern betont die Führung der Gemeinschaft der Bergjuden in Quba, dass es „zwischen Juden und Aserbaidschanern noch nie Konflikte aufgrund ethnischer oder religiöser Gründe gab. Krasnaja Sloboda ist heutzutage der einzige Ort in der Welt, der dicht von Bergjuden (über 4500) besiedelt ist.“ Und auch heute halten Aserbaidschaner und Juden gegenseitig immer noch gute und herzliche Beziehungen aufrecht.

Die Bergjuden in Aserbaidschan haben im Allgemeinen keine Probleme ihre nationalen und religiösen Traditionen und die ethnische Zugehörigkeit aufrechtzuerhalten. Die Gemeinde unterhält multilaterale Beziehungen zu einflussreichen jüdischen Gemeinden in Russland, Israel und den USA. Viele der Bergjuden haben eine Hochschulbildung erhalten. So erlangte beispielsweise G. Ilizarov, ein Akademiker und orthopädischer Chirurg, der in der aserbaidschanischen Stadt Qusar geboren wurde, internationalen Ruhm als Erfinder des Kompressionshaltungsgeräts und Gründer des Zentrums für restorative Traumatologie und Orthopädie sowie als Gründer eines Trauma-Zentrums, das seinen Namen in Kurgan (Russland) trägt.

Sponsoren, die heute kulturelle und Bildungsaktivitäten fördern und zur Erhaltung des historischen Erbes der Bergjuden beitragen, sind Bergjuden aus Aserbaidschan, darunter G. Nisanov, T. Ismayilov, Z. Iliyev, A. Gilalov und G. Zakharyayev.

Aschkenasim

Die ersten europäischen Juden, die Aschkenasim, erschienen in Aserbaidschan im Jahre 1810, und ihre Gemeinde formte sich 1832 in Baku. Sie zählte im Jahr 1913 etwa 10 000 Mitglieder. Viele von ihnen waren Anwälte und Ärzte. Schnell eröffneten primäre und sekundäre jüdische Schulen, Sporthallen, Bibliotheken, Talmudschulen und private Musikschulen in der Stadt. Juden gingen jedoch auch auch an russische Schulen. Ein Verein wurde gegründet, durch den Wohltätigkeitsorganisationen Kindern aus armen Familien den Zugang zu Schulen und Bibliotheken ermöglichten sowie auch Kleidung, Schuhe und Schulbücher bereitstellten. Der Alphabetisierungsanteil in der jüdischen Bevölkerung von Baku lag zu dieser Zeit bei 83 Prozent.

Zusätzlich zu den bestehenden Synagogen wurde in Baku im Jahre 1910 die Zentrale Choral-Synagoge gebaut. Zu den Spendern für den Bau gehörten die bekannten aserbaidschanischen Ölmagnaten Z. Tagiyev und M. Nagiyev. Heute wurde zudem eine neue Synagoge für europäische und georgische Juden in Baku errichtet.

Synagoge der aschkenasischen Juden in Baku

Neben Veröffentlichung ihrer eigenen Zeitungen und Zeitschriften gründeten die Juden eine Reihe an eigenen politischen Parteien. So war beispielsweise von 1905-1906 eine Partei namens Poale Zion (Arbeiter von Zion) in Baku aktiv. Ihr Ziel war es, Juden nach Palästina zu bringen, um den jüdischen Staat im Land ihrer Vorfahren wiederherzustellen.

Die am 28. Mai 1918 ausgerufene Demokratische Republik Aserbaidschan (ADR) repräsentiert ein klares Beispiel für eine Demokratie. In der Unabhängigkeitserklärung des neuen Staates wurden zum ersten Mal in der Geschichte des Ostens gleiche Rechte für alle Völker des Landes gewährt. So waren zwei Mitglieder der jüdischen Gemeinde in der Regierung und im Parlament der ADR vertreten. Vor Gericht wurde Juden erlaubt, den Eid auf Hebräisch zu sprechen. Auch die Veröffentlichung der russischsprachigen Zeitung Kavkazskiy Yevreyskiy Westnik wurde zu diesem Zeitpunkt wieder aufgenommen, und ausserdem wurden die Zeitung Palästina und die Zeitschrift Molodezh Siona ins Leben gerufen. Mit Bezalel und Borokhov eröffneten im Jahr 1921 auch zwei jüdische Clubs in Baku. Nach der Schliessung der Zentrale Choral-Synagoge im Jahr 1934 beherbergte das Gebäude das staatliche Jüdische Theater, das sowohl in Aserbaidschan als auch im Ausland sehr populär war.

Im Jahr 1989 lebten 31 000 aschkenasische Juden in Aserbaidschan. Sie lebten mehrheitlich in den Städten Baku, Sumqayit und Gändschä und einige von ihnen in Länkäran und Schirvan.

Die mehrheitlich gesprochene Sprache der aschkenasischen Juden war mehr als ein Jahrtausend lang das auf dem Deutschen basierende Jiddisch. Heutzutage nutzen die meisten der aschkenasischen Juden die Sprache ihres Wohnsitzes. Sie bekennen sich zum orthodoxen Judentum.

Mit der Ausrufung der unabhängigen Republik Aserbaidschan im Jahr 1991 traten im Land vermehrt jüdische Jugendvereine, Frauen- und Veteranenorganisationen, Musik- und Tanzensembles in Erscheinung. Es war zu diesem Zeitpunkt, dass der Hatikva Chor entstand, welcher auch über Aserbaidschans Grenzen hinaus bekannt ist. Bereits 1990 wurde die Aserbaidschanisch-Israilische Freundschaftsgesellschaft auf Initiative von Vertretern der aserbaidschanischen Intelligenz gegründet; seit 1993 ist die Botschaft des Staates Israel in Baku tätig. Eine der aserbaidschanischen Universitäten bietet einen speziellen Kurs zur „Sprache des Tanachs“ an, und an der Fakultät für Orientalistik der Staatlichen Universität Baku wurde zudem eine hebräische Abteilung eröffnet. Im Jahr 1995 wurde auch am Gymnasium Nr. 46 in Baku eine jüdische Abteilung für das Hebräischstudium sowie die Geschichte und Traditionen des jüdischen Volkes gegründet. Zuletzt gründete die jüdische Wohltätigkeitsorganisation Or Avner Chabad im Jahre 2002 eine Sekundarschule.

Der eurasische Jüdische Kongress beteiligte sich im Jahr 2003 an der Einweihung einer neuen Synagoge für die europäischen und georgischen Juden in Baku. Anlässlich des 150. Jahrestages des berühmten jüdischen Schriftstellers Scholem Aleichem im Jahr

2009 widmete Aserbaidschan eine Ausstellung seinem Leben und seiner Karriere, und sein bekannter Roman „Tewje, der Milchmann“ wurde auf Aserbaidschanisch veröffentlicht. Im Oktober 2010 wurde ein neuer Schulkomplex in Baku eröffnet, in dem ein jüdischer Kindergarten, ein Gymnasium und eine Jeschiwa betrieben werden. An der Eröffnungsfeier nahmen Präsident Ilham Alijew, der sephardische Oberrabbiner Shlomo Amar Israel, der Oberrabbiner von Russland Berl Lazar, die prominenten Geschäftsleute G. Nisanov und L. Levayev, der Präsident des American Jewish Committee David Rosen, Vertreter des diplomatischen Korps in Baku und weitere Gäste aus Russland, den USA und Israel teil.

Ebraelis

Georgische Juden bezeichnen sich selbst auch als Kartli Ebraeli oder um ihre jüdische Herkunft stärker zu betonen als Israeli. In der georgisch historischen Tradition dominiert die Ansicht, dass die ersten Juden nach Georgien kamen, nachdem Jerusalem erobert und der erste Tempel durch den babylonischen König Nebukadnezar II. im Jahre 586 v. Chr. zerstört worden war. Die zweite Welle der Juden wanderte daraufhin fast 700 Jahre nach der Zerstörung des Zweiten Tempels in Jerusalem durch die Römer im Jahre 70 nach Georgien.

Die Ebraelis leben in Akhaltsikh, Batum, Gagra, Gori, Kutaisi, Kulashi, Oni und Tiflis. In einem für sie fremden und unbekannten ethnischen Umfeld gefangen, ging ihre Muttersprache nach und nach verloren und sie übernahmen die georgische Sprache, Sie nutzen das georgische Alphabet und sprechen Russisch. Unter Kaufleuten der Ebraelis gibt es den Jargon Kivruli, eine Mischung aus georgischen und hebräischen Wortschatz. Auch haben die Ebraelis das georgische Alphabet der jüdischen Schrifttradition angepasst. Der prominente israelische Wissenschaftler und Sozialaktivist Ben-Zvi schrieb in diesem Zusammenhang: „Wir sind besonders von der Tatsache berührt, dass die Juden Georgiens das georgische Alphabet von links nach rechts verwenden, im Gegensatz zu vielen jüdischen Gemeinden in der Diaspora.“

Die Ebraelis fühlen sich als Teil des georgischen Volkes, haben aber gleichzeitig ihre jüdische Herkunft nicht vergessen. Hebräisch bleibt die Sprache der Tora, mit dem besonderen historischen Status als heilige Sprache des „Lashon Hakodesh“, die alle Menschen kennen. Die Ebraelis verfolgen den Glauben ihrer Väter mit Eifer und bleiben noch immer dem orthodoxen Judentum verpflichtet.

Die sprachliche Assimilation der Ebraelis in Georgien führte auch teilweise zu einer kulturellen Assimilation. Sie übernahmen georgische Lieder, Tänze und Musik und eigneten sich auch einige Elemente der georgischen Küche an, mit Ausnahme derer, die im Widerspruch zu den Regeln des Kaschrut stehen.

Während der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert begannen die Ebraelis nach Aserbaidschan zu wandern, wo sie sich im Zentrum von Baku niederliessen. Hier gingen sie dem Handel und Handwerk nach und waren Partner der grossen russisch-kaukasischen Handelshäuser, Börsen, Banken und Aktiengesellschaften. Sie vergassen niemals, dass es das Grundgebot des Judentums ist, sich in der Wohltätigkeitsarbeit aktiv zu engagieren. So gab es beispielsweise in Baku eine von dem Philanthropen Elikashvili gebaute Zuflucht für die Armen.

Bis zum 20. Jahrhundert hatten die Ebraelis fast keine Möglichkeiten, um eine höhere oder zumindest eine Fachschulausbildung zu bekommen. Deshalb existierte bis ins Jahr 1920 in Baku eine Gesellschaft zur Förderung der Aufklärung unter den georgischen Juden. Sie engagierte sich dafür, dass Ebraelis die Gelegenheit, zusammen mit den aschkenasischen

Juden zu studieren, wenn Schulen für die Bergjuden errichtet wurden. Derzeit hat die Ebraeli-Gemeinschaft in Baku etwa 300 Mitglieder.

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Judaisierte gibt es ebenfalls noch immer in Aserbaidschan – etwa Russen, die zum Judentum konvertiert sind und hauptsächlich im Dorf Privolnoye des Bezirkes Dschälilabad sesshaft sind.

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Aserbaidschan ist eines der wenigen Länder, in denen die Haltung gegenüber Juden, aber auch gegenüber anderen lokalen ethnischen Minderheiten, als loyal und tolerant bezeichnet werden kann. Aserbaidschanisch- jüdische Ehen sind demnach häufig anzutreffen. Wie Isaac David speziell in seinem Buch „Geschichte der Juden im Kaukasus“ bemerkte: „Antisemitismus in Baku wurde als ein abscheuliches Phänomen betrachtet, und die aserbaidschanische Intelligenz akzeptierte dies nicht. Sogar die lokale Verwaltung, die Anweisungen mit definitiv antisemitischem Charakter aus dem Zentrum erhielt, blieb relativ zurückhaltend.“ Die positive Einstellung des aserbaidschanischen Volkes zu den Juden wird besonders deutlich durch folgende Tatsache illustriert: Im Jahr 1919 suchte eine jüdische Delegation aus der ukrainischen Stadt Yelizavetgrad in Baku nach Hilfe für die Opfer der Petljura Pogrome. In diesem Zusammenhang veröffentlichte das zentrale Organ der aserbaidschanischen Juden, der Jüdische Nationalrat, eine Sonderausgabe der Zeitung mit einem Appell, ihren Brüdern zu helfen. Die Delegation kehrte mit Spenden und Listen von Spendenden in die Ukraine zurück. Zum Erstaunen der dort lebenden Juden war die Spendenliste gespickt mit für sie ungewohnten Namen, worauf die Delegierten darauf hinwiesen, dass sie einheimische Aserbaidschaner waren. Niemand hatte so etwas erwartet. Auf dieses Weise erfuhr die jüdische Bevölkerung in der Ukraine, dass es in Aserbaidschan Menschen gibt, die Juden nicht töten, sondern ihnen im Gegenteil sogar helfen wollen.

Zurzeit ist in Aserbaidschan ein intensiver Prozess im Gange, die Kultur und Religion des jüdischen Volkes wieder zu beleben. Synagogen werden gebaut und restauriert sowie Schulen für das Studium der Sprache, der Geschichte und der Traditionen des jüdischen Volkes gegründet. Herausragende Arbeit zur Wiederbelebung der jüdischen Werte leistet das Bildungszentrum Or Avner Chabad und Vaad Hatzala. Daneben soll auf das jüdische Wohlfahrtszentrum Hesed Gershon, das jüdische Kulturzentrum JCC und die Frauenwohltätigkeitsorganisation ‚Hava‘ verwiesen werden. Ausserdem bietet der lokale Zweig von Joint, dem American Jewish Joint Distribution Committee, materielle und moralische Hilfe für Juden, die ihren Wohnsitz behalten wollen. Die Repräsentanz der Jewish Agency for Israel, Sokhnut, engagiert sich zudem in der Rückführung von Juden aus Aserbaidschan nach Israel und organisiert Studienreisen nach Israel für einheimische Juden.

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Ein grosses Universum von Intellektuellen stammt aus dem jüdischen Umfeld Aserbaidschans. Unter ihnen sind: • Rashid al-Din – eine mittelalterlicher Historiker und Staatsmann, Autor des mehrbändigen Werk „Jami al-Tawarikh“ („Weltgeschichte“).

Ilya Anisimov – der erste Juhor-Wissenschaftler und Autor der Studie „Kaukasische Bergjuden“, die heute ihren Wert behält.

Lev Landau – ein Akademiker, einer der Giganten des 20. Jahrhunderts in der theoretischen Physik, der Gründer einer wissenschaftlichen Schule und Nobelpreisträger.

Bella Davidovich – die Preisträgerin des Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau im Jahr 1947.

Leonid Zorin – einer der besten Schriftsteller und Dramatiker der UdSSR und Russlands.

Faina Ranevskaya – Volkskünstlerin der UdSSR und eine herausragende Schauspielerin des sowjetischen und russischen Kinos und Theaters.

Gavriil Ilizarov – ein Akademiker, der Gründer und Leiter eines neuen Trends in der Orthopädie und Traumatologie, ein globaler Riese in seinem Beruf, dessen Name einem medizinischen Zentrum in der russischen Stadt Kurgan gegeben wurde.

Tankho Izrailov – Choreograph, Volkskünstler der UdSSR und Gründer und Leiter des weltberühmten Tanzensemble Lezginka.

 

Prof. Dr. Rauf HÜSEYNOV

Historiker

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