Internationales Teppichfestival in der Altstadt von Baku eröffnet – eine Reise in die Märchenwelt (REPORTAGE, FOTOS)

In der historischen Altstadt von Baku – Icherisheher – wurde ein farbenfrohes Internationales Teppichfestival eröffnet. Organisiert wurde es vom Amt für das staatliche historisch-architektonische Schutzgebiet „Icherisheher“ und der OJSC „Azerkhalcha“, mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums Aserbaidschans und der Agentur für Export- und Investitionsförderung (AZPROMO), berichtet Trend Life.

Das Internationale Teppichfestival entfaltet sich vor der Kulisse jahrhundertealter Mauern und verwandelt historische Strassen und Karawansereien in eine Freiluftgalerie. Hier gibt es keine Barrieren zwischen Kunst und Publikum – die Teppiche liegen nicht hinter Glas, sondern zu Füssen der Besucher, über ihren Köpfen, an den Wänden – als hätte Icherisheher selbst seine traditionellen Flügel ausgebreitet.

Schon nach wenigen Schritten wird klar: Icherisheher ist nicht nur Gastgeber – es ist selbst Teil des Festivals. Hier, im Herzen des alten Baku, erwacht die faszinierende Kunst des Teppichknüpfens zum Leben – für zwei Tage verwandelt sich der Ort in einen Jahrmarkt der Zeit, wo Vergangenheit und Gegenwart in jedem Muster, in jedem Stich aufeinandertreffen. In den nationalen Pavillons, die über die gesamte Altstadt verteilt sind, präsentieren Meister aus verschiedenen Ländern ihre Stile, Techniken und Farben. Es ist ein lebendiges Museum ohne Dach – statt Infotafeln erzählen die Knüpfer selbst ihre Geschichten, statt Vitrinen blickt man ihnen in die Augen. Icherisheher gleicht einer Weltkarte, gewoben aus Wolle und Seide. In diesem Moment wird deutlich: Teppichkunst ist kein Handwerk – sie ist eine Sprache, die durch die Jahrhunderte spricht.

Jeder Teppich erzählt hier eine Geschichte. Auf einem der Plätze findet ein Workshop statt – Erwachsene und Kinder versuchen sich selbst im Teppichknüpfen, halten den Faden so, als trügen sie damit die Zukunft der Kunst in den Händen. Um sie herum viele Menschen, ebenso fasziniert, oft mit Handys, um das Geschehen festzuhalten.

„Seht dieses Muster“, wendet sich ein Meister an die Menge. „Es steht für Fruchtbarkeit. Man sagt bei uns: Wenn so ein Teppich im Haus ist, gibt es dort immer Essen und Wärme.“

In der Nähe erzählt eine Frau die Legende von einem Teppich, den eine Braut vor ihrer Hochzeit knüpfte – in das Muster seien ihre Ängste, Träume und Botschaften an den Geliebten eingewoben. Jede Geschichte ist wie ein Kapitel eines großen Buches – geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit Wollfäden.

Auf einem weiteren Platz findet eine Theateraufführung statt: Schauspieler in historischer Kleidung, daneben Musiker mit Tar und Kamancha. Ihre Melodien scheinen sich in die Teppichmuster einzuflechten und erzeugen eine Synästhesie der Sinne.

Hier erklingt die Stimme eines Fremdenführers, dort sind Tourguides auf Englisch, Französisch, Russisch, Arabisch, Italienisch zu hören… Icherisheher ist eine Stadt, in der sich Sprachen wie Fäden in einem Teppich verweben – fein, organisch und bedeutungsvoll.

Das Festival schlägt auch Brücken zwischen den Epochen: Neben traditionellen Mustern präsentieren moderne Künstler und Designer in verschiedenen Galerien ihre Werke. Arbeiten von Eldar Mikailzade, Aidan Salakhova, Samira Allahverdiyeva und Faig Ahmed zeigen den Dialog von Tradition mit Abstraktion, Architektur und Technologie. Ihre Teppiche wirken wie Träume, in denen die Vergangenheit nicht verschwindet, sondern in neuen Formen weiterlebt.

Das Internationale Teppichfestival in Baku ist mehr als ein Fest für die Augen. Es ist eine Reise – durch Zeiten, Stile und Kulturen. Es ist ein Weg, die Welt mit den Augen eines Teppichknüpfers zu sehen, den Puls einer Nation in jedem Muster zu spüren. Es ist kulturelle Diplomatie, Mission und Herausforderung zugleich. Ziel ist es, der Welt zu zeigen, dass die aserbaidschanische Teppichkunst nicht nur ein in die UNESCO-Liste aufgenommenes Handwerk ist, sondern ein lebendiger Code der nationalen Identität. Und gleichzeitig ist sie eine Plattform für Austausch, Inspiration und Zusammenarbeit.

Jeder Teilnehmer nimmt nicht nur ein Souvenir mit nach Hause, sondern auch ein Stück Icherisheher – und vielleicht das Gefühl, selbst Teil des Teppichs geworden zu sein. Auch nur für einen Moment – aber eingewoben in das lebendige Gewebe der Geschichte.

Das Festival fällt zudem mit zwei bedeutenden Jubiläen zusammen: dem 25-jährigen Bestehen der Aufnahme von Icherisheher in die UNESCO-Welterbeliste sowie dem 15-jährigen Jubiläum der Aufnahme der traditionellen Teppichkunst Aserbaidschans in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO.

Erwähnenswert ist auch, dass am Vortag das Internationale Teppichforum stattfand, das führende Fachleute, Designer, Produzenten und Forscher der Teppichindustrie zusammenbrachte.

Das Programm des Forums umfasste Plenarsitzungen, thematische Podiumsdiskussionen, B2B-Treffen sowie spezielle Sektionen für junge Wissenschaftler. Teilnehmer kamen unter anderem aus Aserbaidschan, Georgien, Lettland, Turkmenistan, Japan, Kirgisistan, Rumänien, Grossbritannien, Iran, Russland, Kasachstan, Usbekistan, Deutschland und weiteren Ländern.

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