Seidenweber und Kunstschmiede in Aktion erleben, Tee trinken in der Karawanserei: Aserbaidschan ist nicht nur bekannt für spektakuläre Natur, sondern auch für das Flair der alten Seidenstrasse in vielen Bergdörfern. Die uralten Handwerkstraditionen sind hier bis heute lebendig, einige davon wurden inzwischen als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt.
Ein Bild wie gemalt. Rote Dächer, graue Feldsteinmauern, ringsum die grün bewaldeten Berge des Kaukasusgebirges. Das ist Sheki, älteste Stadt des Landes und eine der schönsten. Zur Zeit der Seidenstrasse gingen hier Kaufleute aus aller Welt ein und aus, um zu verschnaufen, Waren zu lagern und zu handeln, und auch die Handwerkskünste blühten – bis heute.
Sheki atmet den Geist der Seidenstrasse
Entlang der alten Handelsstrasse – Unesco-Weltkulturerbe wie die gesamte Altstadt und der Palast des Sheki Khan – reihen sich in Sheki kleine Shops mit Kunsthandwerk, knallbunte Süssigkeitenläden, Werkstätten und Karawansereien dicht an dicht. Oft lassen sich die Handwerker bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen, sei es beim Bedrucken bunter Seidentücher, beim Besticken von Kissen oder beim Schmieden von Töpfen.
In der historischen Festung der Stadt können Besucher in der Shebeke-Werkstatt raffinierte Mosaike bewundern, die aus Tausenden von winzigen Glasstücken zusammengesetzt und in filigrane Holzrahmen eingepasst werden. Schöne Beispiele für Shebeke-Kunst zeigt in seinen Innenräumen auch der oben erwähnte Palast des Sheki Khans.
Wer Zeit hat – Sheki liegt rund vier Autostunden von Baku entfernt – und den Geist der alten Seidenstrasse hautnah erleben möchte, sollte unbedingt auf einen Tee mit aserbaidschanischen Süssigkeiten ins Karvansaray Hotel einkehren, einer authentischen Karawanserei aus dem 18. Jahrhundert.
Basgal ist die Heimat der Seidenweber
Das historische Erbe der Seidenstrasse ist auch in Basgal sehr lebendig. Das malerische Bergdorf auf halber Strecke von Baku nach Sheki gilt als Geburtsstätte der Kelaghayi-Herstellung, kostbarer, handbedruckter Seidenschals, die traditionell von aserbaidschanischen Frauen als Kopfbedeckung getragenen werden. Noch im 19. Jahrhundert gab es in fast jedem Haushalt des Dorfes eine Seidenweberei oder Kelaghayi-Produktion. Nachdem das Handwerk gegen Ende der Sowjetzeit auszusterben drohte, begann in den frühen 2000er Jahren mit der Gründung einer Kelaghayi-Fabrik in Basgal die Wiederbelebung.
Heute lässt sich eine neue Generation von Designern von der Symbolik und den historischen Motiven des Kopftuchs inspirieren, um es wieder in Mode zu bringen. Im Rahmen einer Führung durch die Kelaghayi-Fabrik von Basgal kann man sich ein gutes Bild vom aufwändigen Herstellungsprozess der exklusiven Batik-Tücher machen.
Lahijs Schmiedekunst geniesst Weltruhm
Ein reizvolles Ausflugsziel ist auch das rund drei Autostunden von Baku entfernte Dorf Lahij. Schon die Fahrt durch die atemberaubende Schlucht des Flusses Ghirdiman lohnt den Weg. Noch beeindruckender ist das 2000 Jahre alte Dorf selbst mit seinen antiken Kopfsteinpflasterstrassen und uralten Steinhäusern.
Einst wurden in Lahij mehr als 40 verschiedene Handwerksberufe ausgeübt, von der Hutmacherei bis zur Teppichweberei. Obwohl manche der alten Handwerke die Zeit nicht überdauert haben, versuchen die Bewohner der Stadt mit viel Leidenschaft, die alten Handwerkstraditionen aufrecht zu erhalten.
Am bekanntesten ist Lahij für seine kunstvoll geschmiedeten Kupferarbeiten, die früher im ganzen Kaukasus verkauft wurden und heute in einigen der besten Museen der Welt zu sehen sind. 2015 hat die Unesco das Kupferkunsthandwerk von Lahij in die “Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit” aufgenommen.
Teppichweben mit den Meistern in Guba
Zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt hat die Unesco auch die aserbaidschanische Teppichwebkunst, die seit der Antike ein wichtiger Bestandteil der nationalen Kultur ist. Zentrum der Teppichweberei ist Guba, knapp hundert Kilometer von Baku entfernt. In den umliegenden Dörfern werden mehr als 30 verschiedene Teppicharten geknüpft, traditionell von Frauen und traditionell im Winter. Die Farben und Muster variieren von Dorf zu Dorf. Einige der Teppichmanufakturen in Guba sind auch für interessierte Besucher geöffnet und bieten sogar Webkurse an.
Bakus kleine, aber feine Kunstszene
Man muss nicht unbedingt ins Umland fahren, um sich ein Bild von Aserbaidschans Kunst- und Handwerkstraditionen zu machen. Auch beim Streifzug durch die engen Altstadtgassen von Baku lassen sich jenseits der berühmten Kulturdenkmäler wie dem Schirwanschahs-Palast oder dem Jungfernturm zahllose Künstlerwerkstätten, Kunsthandwerks- und Hausmuseen, Ateliers und Galerien entdecken. Ein Wunderland aus Gemälden und Installationen lokaler Maler und Bildhauer ist zum Beispiel das Ali Shamsi Studio. Der Künstler und Philosoph Ali Shamsi ist dort oft anzutreffen und erteilt Besuchern gerne Auskunft über die Kunstszene der Stadt.
Ein echter Kulturtipp ist auch das Marionettentheater von Baku, das seit 1990 aserbaidschanische Opern als Marionettenaufführung auf die Bühne bringt. Die Theatersaison beginnt in der Regel Anfang Oktober und dauert bis Ende Juni.