Wenn man heutzutage ausserhalb Aserbaidschans einen Menschen anspricht und nach seinem Wissen über die aserbaidschanische Kultur fragt, so wird er dazu nicht viel sagen können, da aserbaidschanische Kunstwerke nicht selten als „türkisch/osmanische“, „persisch/iranische“, „armenische“, „georgische“, „kaukasische“ oder sogar „russische“ Werke in Sammlungen erfasst wurden. Daran lässt sich die schwierige räumliche Zuordnung von Kunstwerken auf nationale Territorien erkennen, denn bei Kunstwerken geht es vielmehr um kulturelle Zugehörigkeiten und kulturelle Traditionen, die sich Kulturräumen und heutigen Staatsgebieten zuordnen lassen.
Exponate aus Aserbaidschan sind in verschiedenen Museen rund um den Globus zu finden, doch leider sind sie meist nur einem kleinen Kreis von Experten bekannt. Trotzdem sind diese Kunstgegenstände in den internationalen Ausstellungen wichtige „Botschafter“ Aserbaidschans, durch sie wird Interesse an dem Land und der Region und vor allem auch an den schöpferischen Traditionen seiner Bewohner geweckt.
Viele einzigartige Artefakte, darunter Objekte aus Keramik und Metall, der Draht- und Glaskunst, Miniaturen, Teppiche, Stickereien und Schmuck, sind in den berühmtesten Museen der Welt zu bestaunen oder werden als Teile von Privatsammlungen bewahrt. Diese Kunstgegenstände ermöglichen es, sich intensiver mit dem kulturellen Erbe Aserbaidschans vertraut zu machen. Im Victoria and Albert Museum in London, im Louvre in Paris, im Metropolitan Museum in New York, in Museen in Wien, Rom, Berlin, Istanbul, Teheran und Kairo – überall befinden sich prachtvolle Ausstellungsstücke, die Kunsthandwerker aus Täbriz, Nachtschıvan, Gändschä, Qazach, Quba, Baku, Schäki, Schamachi und Ordubad mit ihren geschickten Händen angefertigt haben.
Allein in Russland gibt es zahlreiche einzigartige Sammlungen aserbaidschanischer Kunst. Die hervorstechendsten Exponate lagern zurzeit in der Rüstkammer des Moskauer Kremls, in der Tretjakov-Galerie, in der Russischen Nationalbibliothek und in der Eremitage in Sankt Petersburg. Besonders dem letztgenannten Museum gebührt aufgrund der ausserordentlich breit gefächerten Auswahl an aserbaidschanischer Kunst im Ostflügel besondere Aufmerksamkeit.
In der Eremitage sind zahlreiche Kunstgegenstände ausgestellt, die aserbaidschanische Künstler in verschiedenen historischen Epochen hergestellt haben, zum Beispiel metallene Objekte wie Dolche und Äxte, Gürtel und Schmuck. Aber auch Keramik, vielfältiges Steingut und glasierte Ziegel und Fliesen sind zu bewundern. Darunter auch die berühmten glasierten Fliesen aus dem Mausoleum des Pir Hüseyn, die als die grossartigsten Fliesen, die im Mittleren Osten hergestellt wurden, gelten. Die Keramikplatten sind vergoldet und mit dunkelblauem und türkisfarbenem Kobalt verziert. Die meisten Fliesen sind mit einem Glanz überzogen, der den Wissenschaftlern bis heute Rätsel aufgibt.
In der Eremitage ist auch das kunstvolle Ebenbild eines Büffelkopfes zu sehen, das in Bergkarabach entdeckt wurde und wahrscheinlich aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus stammt. Weitere Exponate aus der Bronzezeit sind zumeist Kleidungsstücke sowie Perlen in verschiedenen Farben und Formen.
Des Weiteren sind mittelalterliche Ausstellungsstücke aus Aserbaidschan vertreten: Unter den beeindruckenden Bronzefiguren, die Menschen und Tiere darstellen, befindet sich auch eine Figur aus dem 7. Jahrhundert, die in Nachtschivan entdeckt wurde. Diese ist für Experten von besonderem Interesse, da vermutet wird, dass sie Jananschir (638-670), den Herrscher Kaukasisch-Albaniens zeigt. Aus künstlerischer Perspektive ist vor allem der Standfuss der Figur interessant. Neben den üblichen Blumenornamenten gibt es hier symbolhafte Darstellungen: neben Löwen und einer Bergziege kämpft ein Jäger mit einem Löwen und ein Elefant reitet auf einem Fuchs.
Ein weiteres interessantes Ausstellungsstück im Sankt Petersburger Museum ist ein bronzenes Wassergefäss aus Schirvan, das aus dem Jahr 1206 stammt. Des Weiteren ist ein seltenes und recht unbekanntes Werk von Mirzä Qädim Erivani, einem Meister ornamentaler Kunst, ausgestellt. Ein besonderer Schatz des Museums ist auch das literarische Meisterstück „Chämsä“ des Dichters Nizami Gändschävi (1141- 1209) in einer Kopie aus dem Jahr 1430. Es ist nicht nur eines seiner frühen Werke, sondern hat auch einen besonderen Wert durch die wunderbare Gestaltung mit Miniaturmalereien.
Nicht nur die Eremitage ist auf die einzigartigen Beispiele aserbaidschanischer Teppichwebkunst in seinem Bestand stolz, auch andere weltweit führende Museen können wertvolle Exemplare der aserbaidschanischen Teppichkunst ihr Eigen nennen. Allerdings beherbergen viele Museen neben Teppichen auch Sammlungen von bestickten Stoffen und Tüchern aserbaidschanischer Herkunft. Allein in Frankreich finden sich hunderte Stoffe bester Qualität, die in Schamachi, Schäki, Gändschä, Nachtschivan und Täbriz hergestellt wurden. Besonders im Louvre, im Musée des Arts décoratifs, sind atemberaubend schöne Textilwaren aus Aserbaidschan ausgestellt, beispielsweise ein aus Täbriz stammender Teppich mit Stickereien, die schlanke Zypressen, blühende Bäume und verschiedene Tiere und Vögel zeigen.
Die Teppichsammlungen des Budapester Kunstgewerbemuseums und des Museums für Angewandte Künste sollten hier gesondert erwähnt werden. Die dort aufbewahrten aserbaidschanischen Teppiche wurden zu verschiedenen Zeiten in Zentren der Teppichwebkunst wie Baku, Quba, Schamachi, Schuscha, Qazach und Täbriz angefertigt. In dem Budapester Museum ist ein einzigartiger Teppich zu bestaunen: Menschen stehen um einen Gartenpavillon herum und im Hintergrund sitzen Vögel auf Baumästen. Ein Fragment dieses Teppichs befand sich früher in einer Privatsammlung. Wissenschaftler glauben, dass die Abbildungen von Sultan Mohammed (1530-1540) selbst entworfen worden oder von einem Lehrling, der unter seiner Anleitung in einer Werkstatt in Täbriz arbeitete.
Auch in Deutschland sind zahlreiche aserbaidschanische Teppiche anzutreffen. In Städten wie Bonn, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Frankfurt und Mannheim finden sich viele Exemplare in Museen, Antiquitätenhandlungen und Privatsammlungen.
Im staatlichen historischen Museum Stockholm befindet sich ein als „Marbi-Teppich“ bekanntes Meisterwerk aserbaidschanischer Teppichkunst. Der Teppich ist ebenfalls mit Vogeldarstellungen verziert und wurde im 15. Jahrhundert gewoben. Seinen Namen erhielt der Marbi-Teppich im Jahr 1925, als er In der Kirche des schwedischen Dorfes Marbi entdeckt wurde. Der Teppich gehört zu der Gruppe der Qazach-Teppiche und noch heute werden in Qazach Teppiche dieser Art hergestellt. Aufgrund ihrer Verzierung mit Vogelmotiven nennt man sie „Guschlu-Teppiche“ – „Teppiche mit Vögeln“.
Doch der wahrscheinlich berühmteste aserbaidschanische Teppich der Welt ist der „Scheich-Säfi – Teppich“, der sich zurzeit im Victoria and Albert Museum in London befindet. Er wurde 1539 in Täbriz im Auftrag von Schah Tähmasib für eine Moschee in Ärdäbil gewoben, weshalb er manchmal auch als „Ärdäbil-Teppich“ bezeichnet wird. Vor allem seine gigantische Grösse von 56 Quadratmetern ist beeindrukkend. Aber auch die wundervolle und klare Zusammenstellung des Musters und der Farbreichtum fallen ins Auge. In der Mitte des Teppichs befinden sich ein dezentes Blumenornament aus Blüten, Blättern und verzweigten Stängeln und ein goldfarbenes Medaillon, dessen gleichmässige Strahlen an einen Stern denken lassen. Einige der Motive des Scheich-Säfi-Teppichs finden sich in den Majolikaverzierungen der Moschee von Ärdäbil wieder.
Die ältesten aserbaidschanischen Teppiche kann man in New York City (Metropolitan Museum of Art) und San Francisco (Asian Art Museum) bewundern. Und auch in Museen, Galerien und verschiedenen Kunstsammlungen von Chicago, Los Angeles, Philadelphia, Houston, Cleveland, Detroit und Boston sind verschiedene Meisterstükke des aserbaidschanischen Kunsthandwerks ausgestellt.
Neben Teppichen lassen sich auch weitere Objekte der aserbaidschanischen Handwerkskunst sich in Museen finden. Darunter sind antike Metallgegenstände wie ein goldenes Armband im Metropolitan Museum of Art in New York. Dieses Armband wurde bei Ausgrabungen in der Nähe von Urmia entdeckt und zog aufgrund seiner schönen Gestaltung die Aufmerksamkeit der Fachwelt auf sich.
In den drei grossen Museen Istanbuls – dem Topkapi Palast, dem Museum für Türkische und Islamische Kunst sowie dem Archäologischen Museum – sind viele alte und schöne Exemplare dekorativer, angewandter und bildender Kunst ausgestellt. Neben Teppichen, Stickkunst und anderen textilen Kunsthandwerken kann man dort auch Gonfanons auf bronzenen Stäben aus Täbriz und Ärdäbil betrachten. Diese grossen Banner wurden früher am höchsten Punkt von Moscheen, islamischen Bildungsstätten und Minaretten angebracht und hatten einen sakralen Wert. Einige weisen Schriftzüge mit Gebeten und den Namen von Propheten auf, andere sind mit symbolischen Abbildungen versehen.
Auch in der Schweiz, so in den Museen, privaten Sammlungen und Antiquitätensammlungen von Bern, Genf, Basel und Lausanne, finden sich bemerkenswerte Beispiele aserbaidschanischer Handwerkskunst, die stellvertretend für ein wichtiges Kapitel der Kunstgeschichte des Landes stehen. In den Sammlungen des Historischen Museums in Bern sind Dolche, Säbel, Feuerwaffen und Pulverflaschen ausgestellt, die im 18. und 19. Jahrhundert in Schamachi, Göytschay, Gändschä, Schäki, Baku, Täbriz und Ärdäbil hergestellt wurden. Die ausgestellten Schusswaffen sind mit kunstvollen Verzierungen versehen, beispielsweise mit geometrischen Mustern, Elementen erzählerischer Natur und arabischen Schriftzügen in verschlungenen Ornamenten. Die Schriftzüge selbst erinnern schon an aufwändige Ornamente und liefern ausserdem wertvolle historische Informationen, indem sie uns die Namen von Kunsthandwerksmeistern der damaligen Zeit und die Namen der Besitzer der Waffen verraten. Im Ostflügel des Historischen Museums in Bern finden sich auch Haushaltsgegenstände aus Kupfer, die im 18. und 19. Jahrhundert breite Verwendung fanden.
Und auch in Iran sind aserbaidschanische Kunstobjekte weit verbreitet. Besonders wertvolle Exponate befinden sich in der Hauptstadt Teheran: Im Nationalmuseum (Iran Bastan Museum), im Gölestan-Museum, im Archäologischen Museum und im Teppichmuseum. In letzterem befindet sich eine Sammlung von Metallgegenständen, die bei Ausgrabungen am Siedlungshügel „Häsänli-Täpä“ entdeckt wurden, darunter eine beeindruckende goldene Schüssel. Auf dieser Schüssel sind ein Jäger, um dessen Körper sich eine Schlange windet, eine nackte Frau, die auf zwei Schafen steht, und ein Mann, der seine Hände nach einem von einem dreiköpfigen Drachen angegriffenen Athleten ausstreckt, abgebildet. Eine weitere Szene zeigt einen sitzenden älteren Mann, dem eine Frau ein Kind entgegenstreckt.
All diese Kunstgegenstände sind einzigartig und unnachahmlich. Sie sind farbenfrohe Zeugnisse der aserbaidschanischen Geschichte und Kultur, die in den Museen zahlreicher Länder auf der ganzen Welt aufbewahrt werden. Es ist nicht möglich die genaue Zahl der aserbaidschanischen Kunstobjekte weltweit zu benennen. Aber eigentlich spielt das auch keine Rolle. Von grösserer Bedeutung hingegen ist, dass diese Kunstwerke über Jahrhunderte bis zum heutigen Tag überlebt haben. Es ist zu hoff en, dass sie auch weiterhin ausgestellt bleiben und von einer breiten Öffentlichkeit bestaunt werden können.
Im Anschluss noch eine Auflistung von Museen, in denen sich Kunstwerke aserbaidschanischen Ursprungs befinden. Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern gibt eine Auswahl an Museen wider:
Deutschland:
Museum für Islamische Kunst, Berlin Lindenmuseum, Stuttgart
Staatliches Museum für Völkerkunde, München
Orientteppichmuseum Hannover Teppichmuseum Oelsnitz auf Schloss Vogtsberg
Universitätsmuseum Islamische Kunst, Bamberg
Staatliche Kunstsammlungen Dresden
USA:
Museum of Fine Arts (Museum der Schönen Künste), Boston
Sammlung des Institute of Fine Arts, New York
Sammlung des Institute of Art, Minneapolis
Pennsylvania Museum of Arts (Kunstmuseum)
Asian Art Museum (Museum für asiatische Kunst), San Francisco
Museum der Harvard University (Fogg Art Museum), Cambridge
Metropolitan Museum, New York
Cooper-Hewitt National Design Museum, New York
Textile Museum, Washington
Vereinigtes Königreich:
Chester Beatty Library
British Library (Nationalbibliothek)
British Museum, London
Victoria and Albert Museum, London
Imperial War Museum, London
Victoria Frances Gallery
Galerie des Courtauld Institute of Art, London
Türkei:
Ethnographisches Museum, Ankara
Ethnographisches Museum, Bursa
Topkapi-Palast-Museum, Istanbul
Museum für Türkische und Islamische Kunst, Istanbul
Teppichmuseum der Waqf Militärmuseum, Istanbul
Anatolische Teppichhaus Teppichpalast Universitätsbibliothek, Istanbul
Erciyaz-Universität, Kayseri
Mevlana-Museum, Konya
Selçuk-Universität, Konya
Schweiz:
Historisches Museum, Basel
Musikinstrumentenmuseum Historisches Museum, Bern
Teppichmuseum Keramikmuseum, Genf
Keramikmuseum, Lausanne
Museum für Gestaltung, Zürich
Ungarn:
Museum für Angewandte Künste, Budapest
Kunstgewerbemuseum, Budapest Nadteten – Palastanlage
Sammlung der St. Matiush-Kirche
Sammlung im Schloss der Festetics
Sammlung der Hassan-Pascha-Moschee, Pécs
Frankreich:
Musée des Arts Décoratifs (Kunstgewerbemuseum), Lyon
Musée des Beaux-Arts (Museum der Schönen Künste), Marseille
Louvre, Paris
Museum des Arts Décoratifs (Kunstgewerbemuseum), Paris
Museum im Schloss Versailles Musée de l’Homme, Paris Nationalbibliothek
Sammlung der Kathedrale Notre- Dame, Paris
Museum im Haus von Alexandre Dumas
Prof. Dr. Rasim ÄFÄNDI
Korrespondierendes Mitglied der NANA
Dr. Togrul ÄFÄNDIYEV
Kunsthistoriker
IRS