Älimärdan Bäy Toptschubaschov wurde am 4. Mai 1863 in Tiflis geboren. Sein Vater Äli Äkbär Bäy diente im Kavallerieregiment der südkaukasischen Muslime und beteiligte sich am Krimkrieg (1853 bis 1856). Sein Grossvater Mirzä Dschäfär Toptschubaschov (1790-1869) war ein bekannter Orientalist und viele bekannte, russische Orientalisten lernten bei ihm arabisch, persisch und türkisch sowie die reiche Literatur des Orients kennen. Die „Toptschuogullars“, die sich in Tiflis niedergelassen hatten, stammten ursprünglich aus Gändschä; doch bereits sein Urgrossvater Älimärdan Bäy wurde russifiziert „Toptschubaschov“ genannt, weil er als Chef des artillerie-regiments am Hof der georgischen Könige Irakli II. Und Giorgi XII. diente.
Im Jahre 1868 verlor Älimärdan zuerst seinen Vater und dann auch seine Mutter, worauf er zu seiner Grossmutter gebracht wurde. Er erhielt seine Grundschulbildung in einer muslimischen Schule, besuchte später das erste russisch-sprachige, klassische Gymnasium in Tiflis und trat 1884 in die Kaiserliche Universität St. Petersburg ein. Er schloss sein Studium an der juristischen Fakultät mit hervorragenden Noten ab und erwarb mit seiner Dissertation anschliessend den Doktorgrad. Seine Karriere begann am Landgericht von Tiflis, im Jahre 1896 zog er zusammen mit seiner Familie nach Baku. Verheiratet mit Pari Mälikova, der Tochter des Aufklärers und Begründers der ersten aserbaidschanischsprachigen Zeitschrift Häsan Mälikov-Zärdabi, fand er leichten Zugang zu den intellektuellen Kreisen Bakus. Muslimische Geschäftsleute fanden in Älimärdan Bäy einen echten Verteidiger gegenüber der russischen Zentralgewalt. Obwohl er neu in Baku war, konnte er in der ersten Phase der Wahlen zur Stadt-Duma im Oktober 1897 die meisten Stimmen auf sich vereinen. Als der prominente Aserbaidschanische Ölbaron und Philanthrop Hadschi Zeynalabdin Taghiyev die russischsprachige Bakuer Zeitung „Kaspi“ erwarb, gewann er Toptschubaschov als Herausgeber und Chefredakteur. Als Vorsitzender der Aufklärungsgesellschaft Nidschat und Mitglied verschiedener Muslimischer-Karitativer Vereine und Kulturzentren setzte er sich für die Verbreitung von Bildung, gegen religiösen Fanatismus, für die Rechte von Frau und Gleichberechtigung unabhängig von religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit ein.
Im Jahr 1900 besuchte Älimärdan Bäy im Verlauf einer Europareise die Donaumonarchie, Belgien, England, Deutschland sowie die Weltausstellung in Paris. Er versuchte, etwas über die Sichtweise der Europäer auf die russischen Muslime zu lernen und teilte seine Eindrücke den Lesern der „Kaspi“ mit.
Auf einer Versammlung von muslimischen Intellektuellen und Bürgerlichen, die im März 1905 in Baku stattfand, wurde die Entscheidung getroffen, der Regierung in St. Petersburg ein Dokument mit dem Titel „Die aktuelle Situation in Bezug auf die Bedürfnisse der Muslime“ zu unterbreiten, das von Älimärdan Bäy verfasst worden war. Darin ging es um die Ausweitung der Rechte der Muslime in Stadtverwaltungen und um die Verbesserung von Wohlfahrt und Bildung für die Menschen. Älimärdan Bäy präsentierte dieses Dokument persönlich Innenminister Bulygin in Petersburg. Während eines Treffens mit dem neuen Gouverneur Kaukasiens, Graf Voroncov-Daškov, erklärte er die Notwendigkeit, Verwaltungs-, Gerichts-, Land- und Steuerreformen in der Region durchzuführen und erhielt die Erlaubnis die Zeitung „Häyat“ auf aseri-türkisch zu publizieren. Diese war für die Turksprachige, öffentliche Meinungsbildung und die Idee einer eigenen aserbaidschanischen Identität und Nation von entscheidender Bedeutung.
Auf dem ersten Kongress der kurz zuvor gegründeten „Union der russischen Muslime“ (Ittifaq al-Muslimin) im August 1905 in Nižni Novgorod, wurde Toptschubaschov zum Vorsitzenden gewählt, und er erarbeitete einen Bericht über die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Probleme der russischen Muslime. Der Kongress war ein entscheidender Schritt bei der Organisation der russischen Muslime im Umfeld der Vertretung ihrer Interessen in der Staatsduma und ihrer Formierung als unabhängige und selbständige politische Kraft im russischen Reich. Im Jahre 1906 wurde Toptschubaschov als Vertreter des Bakuer Gouvernements in die Erste Staatsduma entsandt und zum Leiter der muslimischen Fraktion gewählt. Als der Zar die Erste Staatsduma per Dekret auflösen wollte, unterzeichneten Toptschubaschov und weitere abgeordnete aus Protest die sogenannte „Wyborg-Erklärung“, woraufhin sie für schuldig befunden wurden, die russische Bevölkerung zum Zivilen ungehorsam aufzufordern. Neben einer Freiheitsstrafe von drei Monaten für die Unterzeichner der „Wyborg-Erklärung“, entzog ihnen die Sonderabteilung des St.Petersburger Gerichts zudem das recht, aufs Neue in die Duma und andere Gremien gewählt zu werden. Während seiner Haft im Kresty-Gefängnis bereitete Toptschubaschov Schriften zu Themen wie Bildung für Muslime, die Einführung lokaler Selbstverwaltung (Zemstvo) in Kaukasien und die Regelung von landrechtlichen Fragen im Südkaukasien vor. Kaum aus dem Gefängnis entlassen, erhielt er zahlreiche Glückwunschtelegramme aus verschiedenen muslimisch geprägten Städten Russlands.
Um die Ideen der bürgerlichen, religiösen und politischen Freiheiten unter den russischen Muslimen zu fördern und sie in der Muslim-Union zu vereinen, begab sich Älimärdan Bäy zusammen mit K. M. Tevkelov, dem Vorsitzenden der muslimischen Fraktion der dritten Staatsduma, auf eine zweimonatige Reise durch die muslimischen Zentren des russischen Reiches, wie die Wolga-Region, die Region Orenburg, Sibirien und weitere Orte. Nach seiner Rückkehr nach Baku wurde Toptschubaschov unter strenge Polizeiaufsicht gestellt. In einem Gendarmeriebericht über ihn heisst es: „Der Jurist Toptschubaschov nimmt einen prominenten Platz unter den Panislamisten in Baku ein. Im Hinblick auf seine Entwicklung ist er eine bekannte Persönlichkeit unter den lokalen Muslimen. […] Derzeit setzt Toptschubaschov seine Tätigkeit in der panislamistischen Bewegung fort. […] Er agiert überaus vorsichtig und seitdem er Grosses Vertrauen gewonnen hat, führt er die Parteigeschäfte ausschliesslich in persönlichen Gesprächen und Verhandlungen.“
Älimärdan Bäy nahm seine Arbeit als Anwalt wieder auf, er war der wichtigste Initiator bei der Gründung der Zemstva im Kaukasus und engagierte sich in der Aufklärungsarbeit als Vorsitzender der Nidschat-Gesellschaft.
Vom 15. bis zum 25. Juni 1914 fand der vierte Kongress der Union der russischen Muslime in St. Petersburg statt. In seiner Rede beschrieb Älimärdan Bäy alle Aspekte der von Vorurteilen geprägten Einstellung der Regierung gegenüber Muslimen. Er erklärte: „Wir waren Muslime, wir sind Muslime und wir werden Muslime bleiben. Des Weiteren glauben wir daran und werden weiterhin daran glauben, dass die Religion, zu der wir uns bekennen – die islamische Religion – eine universelle Religion ist und in keinerlei Widerspruch zu einer Staatlichkeit steht“.
Der Revolution, die im Februar 1917 begann, folgte der Sturz der zaristischen Regierung. Älimärdan Bäy verbrachte den gesamten Monat März 1917 an Orten politischer Auseinandersetzungen. Er unternahm eine Reihe von organisatorischen Schritten, um die politische Repräsentanz der muslimischen Bevölkerung von Baku zu verbessern – besonders vor dem Hintergrund der revolutionären Ereignisse. Am 27. März wurde der vorläufige Vorstand des muslimischen Bakuer Nationalrats eingerichtet und Toptschubaschov wurde ein Vorstandsmitglied dieser Organisation, welche national-politische Ideen förderte.
Im April 1917 zeigte der Bakuer Kongress der Kaukasus-Muslime, dass die Türk Ädämi-Märkäziyyät Partei unter der Führung von Näsib Bäy Yusifbäyli in Gändschä und die Müsavat-Partei in Baku nach dem Sieg der Februarrevolution eine führende Rolle in den nationalen demokratischen Prozessen spielten. Älimärdan Bäy, der in der ersten Sitzung zum Vorsitzenden gewählt wurde, spielte auf die traditionelle russische „teile und herrsche“- Strategie an und betonte die Bedeutung des Friedens unter den Kaukasiern.
Am 1. Mai eröffnete der Kongress der russischen Muslime in Moskau und Toptschubaschov wurde ins Präsidium gewählt. In seiner Rede sagte Älimärdan Bäy, dass die Muslime von der provisorischen Regierung die Befreiung ihrer Länder erwarteten. Nach dem Kongress reiste Älimärdan Bäy nach Petrograd, von dort aus nach Baku und dann weiter nach Tiflis, um seiner Tätigkeit als Berater für nationale Angelegenheiten nachzukommen. Ende Juni kehrte er nach Baku zurück. In Baku wurde Toptschubaschov zum Vorsitzenden des muslimischen National-Kommitees gewählt. Er führte die politische Bewegung der Kaukasus-Muslime an.
Um die Situation in Russland zu stabilisieren, hielt die provisorische Regierung von A. Kerenskij im August 1917 ein staatstreffen in Moskau ab. Älimärdan Bäy wurde vom Bakuer Ausschuss der Muslimvolksorganisation zu dieser Sitzung gesandt. An diesem treffen nahmen 34 Vertreter der Muslime aus dem Kaukasus, der Krim, der Wolga-Region und aus Turkestan teil. Sie hielten eine Sitzung ab, auf der sie den Bericht, den Toptschubaschov im Namen der Muslime vorbereitet hatte, erörterten und kamen zu dem Schluss, dass Älimärdan Bäy im Namen der muslimischen Organisationen, die auf dieser Versammlung vertreten waren, sprechen sollte. Älimärdan Bäy wandte sich an das Moskauer treffen und sagte, dass in der aktuellen revolutionären Periode die grösste Schwäche Rrusslands, das eine 30 Millionen Köpfe zählende muslimische Bevölkerung habe, die nationale Frage sei. Älimärdan Bäy sprach insbesondere die ausländischen Vertreter an, die britischen und französischen Beobachter auf der Besuchertribüne, und forderte sie auf, ebenfalls die Rechte ihrer muslimischen Mitbürger zu freiem, politischen Leben und Selbstbestimmung anzuerkennen – denn „nur in diesem Fall werden wir feierlich laut sagen: Ex oriente lux – im Osten geht die Sonne auf“.
Die Tatsache, dass Älimärdan Bäy gebeten wurde, während des Moskauer Staatstreffens im Namen der Muslime des Kaukasus, der Krim, der Wolgaregion und Turkestans zu sprechen ist ein augenfälliger Beweis dafür, dass er als Führer aller Muslime Russlands anerkannt war.
Der bolschewistische Staatsstreich im Oktober 1917 kündete das Ende der Ära der liberalen Reformen in Russland an. Am 15. November wurde das Südkaukasus-Kommissariat auf einer Sitzung der südkaukasischen, politischen Organisationen eingesetzt, dass Älimärdan Bäy in Tiflis besuchte. Ab Herbst 1917 begannen angeführt von Älimärdan Bäy ernsthafte Vorbereitungen unter den Muslimen des Südkaukasus für die Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung. Das muslimische National-Kommitee und die Müsavat-Partei richteten einen Wahlblock ein, auf dessen liste auch Toptschubaschov einen Platz hatte. Zur gleichen Zeit wurde seine Kandidatur für den Gründungsrat nicht nur aus dem Kaukasus, sondern auch aus der Region Syrdarya befürwortet. Bei den Wahlen am 26.-28. November wurde Älimärdan Bäy in die verfassungsgebende Versammlung gewählt.
Die bolschewistische Regierung löste diese zwar auf, doch die gewählten Vertreter aus dem Südkaukasus richteten den transkaukasischen Sejm als regionales, gesetzgebendes Organ in Tiflis ein. In jenen Tagen konnte sich Älimärdan Bäy, der wegen akuter Herzprobleme über einen längeren Zeitraum bettlägerig war, nicht am Aufbau des Sejm beteiligen.
Das Massaker im März 1918, von armenisch-bolschewistischen Kräften an Muslimen in der Stadt begangen, mit dem Zweck, die Macht in Aserbaidschan zu übernehmen, offenbarte die wahre Haltung Sowjetrusslands und der Bolschewiken, die doch das Selbstbestimmungsrecht der Völker ausgerufen hatten, gegenüber Aserbaidschan. Älimärdan Bäy wurde durch die „plötzliche Verwandlung der Armenier der nationalistischen Daschnaksutjun-Partei in Bolschewiken“ im wahrsten Sinne des Wortes erschüttert, hatten sie doch noch im Vorfeld der Geschehnisse die muslimischen Vertreter zu Gesprächen über den gemeinsamen Kampf gegen die Bolschewiken eingeladen: nur einen Tag vor den Ereignissen, am 29. März, war zwischen muslimischen und armenischen Vertretern ein gemeinsames Vorgehen gegen die Bolschewiki beraten worden. Wie auch immer, der Verrat der Daschnaken führte zu Blutvergiessen und während der Bakuer Tragödie, die am 30. März begann und drei Tage andauerte, wurden 12.000 Muslime unter dem Vorwand getötet, sie wären Konterrevolutionäre. Älimärdan Bäy, der die Ereignisse miterlebt hatte, vermerkte, dass „bewaffnete Armenier in muslimische Häuser eindrangen und keine Gnade kannten – alte Menschen, Frauen, ja sogar Kinder … Selbst Muslime, die Linksparteien angehörten – sie alle wurden getötet.“
Trotz seiner Krankheit unterzeichnete Älimärdan Bäy, der sah, dass sich die Muslime in einer verzweifelten Situation befanden, zusammen mit mehreren aserbaidschanischen Intellektuellen ein Waffenstillstandsabkommen über die Anerkennung der bolschewistischen Herrschaft in Baku und über die Auflösung der muslimischen Militäreinheiten. Mit dabei im Hotel Astoria, wo sich das Stabsquartier des revolutionären Verteidigungs-Komitees der Bolschewiken befand, waren Mitglieder des armenischen Nationalrates unter Beteiligung des iranischen Konsuls Habibollah Khan. Am 3. April wurde Älimärdan Bäy von armenischen Soldaten verhaftet. Der Bakuer Anwalt Jakov Nikolajevič Smirnov schrieb:
„Nach dem März-Pogrom fand ich heraus, dass Älimärdan Bäy Toptschubaschov verhaftet worden war. Er wurde in einem kleinen Zimmer in einer der Schulen der Stadt zusammen mit Oberst Baron von Osten-Sacken festgehalten. Armenische Wachen waren in einem grossen Raum aufgestellt. Sie verhielten sich frech, klickten ständig auf den Gewehrabzügen herum, dabei sangen und schreien sie den ganzen Tag, sogar noch in den Abendstunden. Ich weiss das, weil ich den Ort, wo Toptschubaschov gefangen gehalten wurde, persönlich besucht hatte.“
Nach einem Monat im Gefängnis gaben die Bolschewiken Älimärdan auf Bewährung frei, doch bereits einige Tage später wurde er auf Drängen der Armenier wieder in das Bailovo-Gefängnis gebracht. In Smirnovs Aufzeichnungen heisst es: „Am ersten Tag seiner Haft bekam er nichts zu essen, und er ist immer noch hungrig. Weitere 30 Menschen, die mit ihm im Gefängnis sind, leiden auch Hunger… Die Gefangenen werden nur von Armeniern bewacht, die sich fortwährend dreist verhalten.“ Nach zweieinhalb Monaten quälender Gefangenschaft wurde Älimärdan Bäy auf Bewährung entlassen.
Am 28. Mai wurde in Tiflis die aserbaidschanische demokratische Republik gegründet. Nachdem die aserbaidschanische Regierung in Gändschä eingetroffen war, wurde Älimärdan Bäy im zweiten Kabinett, das am 17. Juni aufgestellt wurde, zum Minister ohne Geschäftsbereich ernannt, da es unmöglich war, mit ihm in Kontakt zu kommen. Als die Islamisch-Kaukasische Armee im Sommer 1918 einen Sieg an der Baku-Front erringen konnte, floh Älimärdan Bäy mit Mühe aus Baku und schaffte es, sich in einer der Datschen auf Abscheron zu verstecken. Als die Islamische Armee Ende Juni die Vororte Bakus erreichte, kam Älimärdan Bäy zum Hauptquartier der türkischen Truppen an der Station Chirdalan. Anfang August war er bereits in Gändschä. Am 13. August schrieb Premierminister Fätäli Chan Choyski an Älimärdan Bäy in Gändschä, dass er ihn in das Amt des Vorsitzenden des Ministerrates einsetzen will und er vorübergehend die Geschäfte des Aussenministeriums führen solle.
Zu der Zeit, als die Kämpfe um Baku in vollem Gange waren, am 18. August, schickte die aserbaidschanische Regierung einen der prominentesten Politiker dieser Zeit, Älimärdan Bäy Toptschubaschov, als bevollmächtigten und ausserordentlichen Botschafter nach Istanbul, um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem Osmanischen Reich in die Wege zu leiten. Toptschubaschov erreichte Istanbul Ende September und wurde jeweils von dem türkischen Ministerpräsidenten Talat Pascha, von Aussenminister Ahmet Nesimi und von Kriegsminister Enver Pascha empfangen. Allerdings trat am 8. Oktober Talat Paschas Kabinett zurück und es wurde das Kabinett von Izzet Pascha gebildet. Izzet Pascha, der neue Aussenminister Näbi Bäy, der türkische Bildungsminister sowie der neu gewählte Scheichül-Islam empfingen Toptschubaschov zu Einzelgesprächen.
Doch am 30. Oktober wurde die Türkei gezwungen, die schwierigen Bedingungen des Waffenstillstandes von Mudros zu unterzeichnen. Gemäss den Bedingungen des Vertrages, sollten britischen Truppen Zugang nach Baku erhalten; am 4. November, richtete Toptschubaschov im Zusammenhang mit dem Teil der Vereinbarung über Aserbaidschan eine Protestnote an die Aussenminister der osmanischen Regierung.
Basierend auf Älimärdan Bäys Vorschlag war es wichtig, eine parlamentarische Regierung zu bilden, um Kontakt mit den westeuropäischen Demokratien herzustellen. Das aserbaidschanische Parlament wurde am 7. Dezember eröffnet. Nach lebhaften Debatten erhielt der ausserordentliche Vertreter in der Türkei, Älimärdan Bäy Toptschubaschov, der am 6. Oktober 1918 zum Aussenminister ernannt worden war, den Vorsitz des Parlaments. Älimärdan Bäy Toptschubaschov, bislang nicht Mitglied einer politischen Partei, war ein prominenter Politiker und Diplomat dieser Zeit und ein demokratischer Intellektueller, der über eine umfassende Weltsicht verfügte. Der amerikanische Historiker F. Kazimzadä schreibt: Toptschubaschov, der gewählte Präsident des Parlaments, war ein hochgebildeter Jurist, tolerant in seinen Ansichten und weit entfernt von engstirnigem Nationalismus.“
Im November und Dezember 1918 führte Älimärdan Bäy eine Reihe nützlicher Gespräche mit türkischen Politikern und Vertretern der alliierten, die Istanbul besuchten. Man diskutierte die Lage, in der sich die Welt nach dem Ende des Krieges befand sowie Fragen bezüglich der Situation Aserbaidschans.
Am 28. Dezember billigte die aserbaidschanische Regierung die Zusammensetzung der aserbaidschanischen Delegation, die unter der Leitung von Älimärdan Bäy Toptschubaschov an der Pariser Friedenskonferenz teilnehmen sollte. Die aserbaidschanische Delegation, die Paris am 9. Mai erreichte, wurde von US-Präsident Woodrow Wilson am 28. Mai empfangen. Älimärdan Bäy notierte: „Das treffen der Delegation mit Präsident Woodrow Wilson sollte als grosses Ereignis betrachtet werden, denn wie auch die Staatschefs der Entente-Staaten empfing er keine weiteren Delegationen.“ Es wurde ein Memorandum vorbereitet, in dem die Ereignisse in Aserbaidschan im historisch-politischen Kontext beschrieben wurden und das Wilson während der Sitzung vorlag. Dem US-Präsidenten, als einem der Köpfe der Versailler Friedenskonferenz, waren also die Erwartungen der aserbaidschanischen Repräsentanten gegenwärtig. Während der Verhandlungen empfahl Wilson, die Forderungen Aserbaidschans dem Sekretariat der Friedenskonferenz zu unterbreiten. Die offiziellen Forderungen wurden auf Englisch und Französisch formuliert und in einer 50-seitigen Broschüre zusammengefasst. Die energischen Bemühungen der aserbaidschanischen Delegation unter Älimärdan Bäy erwiesen sich als produktiv. Am 11. Januar 1920 erkannte der Oberste Rat der alliierten Aserbaidschan und Georgien De Facto an. Premierminister Yusifbäyli schrieb in seinem Brief an Älimärdan Bäy: „Lieber Älimärdan Bäy! Zu dieser Gelegenheit gratuliere ich Ihnen und allen Mitgliedern unserer Delegation zur Anerkennung der Unabhängigkeit Aserbaidschans durch die Entente. Bitte gestatten sie, Ihnen meine aufrichtige Dankbarkeit für Ihre harte Arbeit auszusprechen, die eine wichtige Rolle in einem so guten und lang erwarteten, erfolgreichen Ergebnis spielte.“ General Ibrahim Agha Usubov, gerade zu Verhandlungen in Italien um militärische Ausrüstung zu kaufen, schrieb in seinem Telegramm an Älimärdan Bäy: „Ihre Anwesenheit bei der Konferenz leitete eine neue Ära im politischen Leben Aserbaidschans ein, die für uns alle von unschätzbarem Wert ist. Nach diesem historischen Ereignis hat Aserbaidschan von nun an das Recht, als unabhängiger Staat zu existieren. Das Land steht in Ihrer Schuld als ein Mitwirkender an diesem grossen Erfolg. Ihr kristallklarer Name hat bereits ewige Gültigkeit: dieser Name, geschrieben in goldenen Lettern, wird an erster Stelle in den Annalen der aserbaidschanischen Geschichte genannt werden.“
Die Republik Aserbaidschan, die nur durch den Versailler Obersten Rat anerkannt war, wurde von Sowjetrussland am 27. April 1920 annektiert. Es gab nicht eine einzige Stelle in Europa, an die Älimärdan Bäy nicht in Verbindung mit der Besetzung Aserbaidschans appelliert hätte. Er schickte Memoranden und Appelle an den Obersten Rat der alliierten, die Vertreter der Grossmächte in Paris, den neu gegründeten Völkerbund und eine Reihe von internationalen Organisationen. Doch erwies es sich als unmöglich, das Schweigen der Westmächte in Bezug auf die Annexion der bürgerlichen Republik Aserbaidschan zu brechen.
Nachdem die Bolschewiken 1921 den gesamten Kaukasus besetzt hatten, appellierte Älimärdan Bäy an die Vertreter Kaukasiens in Paris und schlug die Einrichtung einer Kaukasischen Union vor. Laut einer gemeinsamen Erklärung, liessen die Vertreter von Aserbaidschan, Georgien, Armenien und des Nordkaukasus in Europa ihre Differenzen beiseite und bekundeten ihre enge Zusammenarbeit, um die Unabhängigkeit der Kaukasusvölker zu sichern, demokratische Regierungen in diesen Ländern wiederherzustellen und für das Wohlergehen der Region zu sorgen. In der Absicht, die Propaganda über Aserbaidschan auszuweiten, veranstaltete die soziologische Gesellschaft auf Initiative Älimärdan Bäys in Paris eine umfangreiche Konferenz über Geschichte, Kultur, Ethnographie, die natürlichen Ressourcen und die wirtschaftliche Lage Aserbaidschans. Im Verlauf der Konferenz wurden besonders Themen behandelt wie die Herkunft von Aserbaidschan, seine Bildung als Nation, die Bereitschaft der Republik zur Unabhängigkeit, die Besetzung eines unabhängigen Staates durch Sowjetrussland, die De Facto von der Weltgemeinschaft anerkannt wurde, und andere Fragen.
Aserbaidschanische Exilanten in Europa spielten eine aktive Rolle während der Konferenz der alliierten in Cannes und bei den Genueser und Haager Konferenzen, die sich auf das Bakuer Öl konzentrierten. In Genua erklärte Älimärdan Bäy, dass Sowjetrussland kein Recht habe, Bakus Öl zu verkaufen. Als Folge der massiven Proteste der Exilregierungen in Europa, lehnten die westlichen Verbündeten die Versuche der Sowjetunion ab, den Vertrag von Lausanne im Namen der Sowjetrepubliken zu unterzeichnen.
Da 1924 in Frankreich die Sozialisten und in Grossbritannien die Labour Party an die Macht kamen, ergaben sich neue Voraussetzungen für eine Verbesserung der Beziehungen zur UdSSR. Als Leiter der aserbaidschanischen Delegation schickte Toptschubaschov einen umfangreichen Bericht über die Besetzung der aserbaidschanischen Republik durch die Bolschewiken an den britischen Botschafter in Paris, Marquess of crewe, und übermittelte eine Kopie des Memorandums an die französische Regierung sowie an 29 ausländische, diplomatische Vertretungen in Paris. Älimärdan Bäy, der wegen finanzieller Schwierigkeiten nach Saint-Cloud bei Paris umgezogen war, stellte fest, dass „als erste die italienische und britische Regierung uns von der Liste der Diplomaten entfernte. Das französische Aussenministerium wollte den gleichen schritt tun, doch gelang es, die bisherigen Regeln wiederherzustellen.“
Älimärdan Bäy versuchte auf verschiedenen Wegen mit Aserbaidschan in Kontakt zu bleiben. Im Jahr 1927 schrieb er in Verbindung mit der Massenrepression gegen nationale Kräfte in Aserbaidschan: „Repression in allen Formen: Verhaftungen, Durchsuchungen und Vertreibung haben ein ungewöhnliches Ausmass angenommen und verstärken sich noch. Berichten zufolge hatten viele Aserbaidschaner zu leiden, die in Verbindung mit kaukasischen, darunter aserbaidschanischen Organisationen im Ausland standen.“
Im Herbst des Jahres 1920 war es auch den Familienmitgliedern von Älimärdan Bäy gelungen, nach Paris zu kommen, zugleich verschlechterte sich der Gesundheitszustand Älimärdan Bäys. Er schrieb an Äli Bäy Hüsseinzadä, dass er unter Kopfschmerzen und Herzschwäche leide und Anzeichen von Rheuma in den Fingern spüre. Obwohl ihn eine schwierige Operation am 26. Juni 1922 von intensiver politischer Arbeit fernhielt, erholte sich Älimärdan Bäy allmählich und er kehrte zum aktiven politischen Kampf zurück. „Trotz all dieser Schwierigkeiten, so schrieb er, kann mich keine noch so aussergewöhnliche und schwierigen Situation von dem richtigen Weg abbringen, den ich eingeschlagen habe, um meinem Volk zu dienen, solange ich die Kraft besitze, dies zu tun“ – schrieb er an Freunde. Zu diesem Zeitpunkt befreite sich Älimärdan Bäy von der Endung „ov“ in seinem Nachnamen und unterzeichnete seine Briefe, Zeitungsartikel und offizielle Beschwerden mit „Toptschubaschi“. Wegen seines intellektuellen Potenzials, seiner umfassenden Weltanschauung gepaart mit einer entschiedenen, politischen Position, wurde er überall respektiert. Älimärdan Bäy war Mitglied der Internationalen diplomatischen Akademie in Paris, die in den 1920er Jahren gegründet wurde und wo viele Diplomaten Französisch studiert hatten. Ausserdem war er Mitglied in französisch-kaukasischen, französisch-asiatischen, französisch-orientalischen Gesellschaften und anderen massgeblichen Organisationen.
Älimärdan Bäys Familie lebte in arger Not am Stadtrand von Paris. Manchmal brachten ihn Schwierigkeiten bei der Bezahlung der Miete in eine verzweifelte Lage. „Es ist sehr schwierig, in dieser Situation alt zu sein. Ich habe seit mehr als einem Jahr gegen meine Krankheit angekämpft. Unsere Organisation ist in einem schlechten Zustand und unsere Geschäfte laufen nicht gut. Ich halte mich selbst nur am Leben mit der Hoffnung, dass ich gebraucht werden könnte, um meinem Volk in Aserbaidschan, im Ural, Turkestan und anderen türkischen Regionen zu dienen.“ Trotz seines hohen Alters versuchte Älimärdan Bäy, alle Entwicklungen in der Emmigranten-Bewegung zu verfolgen und machte sich mit der Presse verschiedener Zuwanderergruppen vertraut.
Am 14. Juni 1934 unterzeichneten die Kaukasus-Republiken den Pakt eines Kaukasus-Staatenbundes. Im Namen des nationalen Zentrums von Aserbaidschan wurde es von Älimärdan Bäy Toptschubaschi und Mähämmäd Ämin Räsulzadä paraphiert. Älimärdan Bäy sah in dieser Übereinkunft seine Idee der Kaukasus-Solidarität triumphieren. Er blickte Hoffnungsvoll in die Zukunft mit dem Wunsch, alle Aserbaidschaner und die benachbarten Völker unter dem Banner des Staatenbundes zu vereinen. Doch ein schwerer Schlaganfall, der ihn am 5. November 1934 ereilte, liess ihn diese Welt für immer verlassen. Nachdem ein Imam der Pariser Moschee am 8. November eine religiöse Zeremonie durchgeführt hatte, wurde der Sarg Älimärdan Bäys in einer Prozession durch den Triumphbogen in das Zentrum von Paris getragen. Dies war ein Zeichen des Respekts für ihn als prominenten Politiker und Staatsmann der Republik Aserbaidschan. Sein Begräbnis wurde zu einer Kundgebung der Solidarität für alle Einwanderer aus dem Kaukasus, Zentralasien und Russland.
Älimärdan Bäys Tod markierte das Ende einer bedeutsamen Phase in der politischen Bewegung von Aserbaidschan. Mit seinen politischen Aktivitäten führte er einen nationalen Charakter zu kulturellem Erwachen und wurde zu einem der Schöpfer eines neuen Aserbaidschan.
Prof. Dr. Dschämil Häsänli
Historiker
Quellen:
- Topchubashi Älimärdan Bay. Biography. 16 december 1951. // Archives d’Ali Mardan-Bäy Toptchibachi, Carton n° 3. cErcEc, EhEss, Paris, p.19.
- Topchubashi Älimärdan Bay. Biography. 16 december 1951.// archives d’Ali Mardan-Bäy Toptchibachi, Carton n° 3. cErcEc, EhEss, Paris, p.17; Toptchibachy Ali Mardan Bek Ali Akbar Bek Oglou. 1931.// Archives d’Ali Mardan-Bäy Toptchibachi, Carton n° 6/2. cErcEc, EhEss, Paris, p.5.
- Gosudarstvennoe soveščanie (stenografičeskij otčet). S predisloviem Ja.A.Jakovleva. М.-Л., 1930, 185-188; Biographical information about A. B. Topchubashov. Part 1. Brief summary.// Archives d’Ali Mardan-Bäy Toptchibachi, carton n° 6/2. cErcEc, EhEss, pp.20-21.
- Kaspi, 1917, 28 nojabrja; Biographical information about A. B. Topchubashov. Part 1. Brief summary.// Archives d’Ali Mardan-Bäy Toptchibachi, Carton n° 6/2. cErcEc, EhEss, Paris, p.21; Topchubashı Älimärdan Bay. Biography. 16 december 1951. // Archives d’Ali Mardan-Bäy Toptchibachi, Carton n° 3. cErcEc, EhEss, Paris, p.13.; Kurtuluş, 1934, sayı 2, s.49. Açıq söz, 1917, 1 noyabr.